Wo die Liebe hinfällt

Ein Beitrag von Ramona Herrmann

Hätte man mich vor 5 Jahren gefragt, ob ich mit meinem Beruf zufrieden bin, hätte ich eindeutig JA gesagt und hätte man noch dazu gefragt, ob ich mir vorstellen könnte mal eine Bäuerin zu sein, wäre ein klares NEIN gekommen.

Doch wo die Liebe hinfällt… 

Jetzt bin ich eine glückliche Bäuerin und möchte meine Kälber und die Arbeit auf dem Hof nicht mehr eintauschen gegen einen anderen Arbeitsplatz. Gelernt habe ich in der Verwaltung, gearbeitet dann als Büchereiangestellte.

Ich stamme nicht aus der Landwirtschaft und ich wollte da auch wirklich nie hin. Deswegen habe ich es weder gelernt, noch studiert. Aber ich hatte das Glück einer ganz tollen Schwiegermutter, die wusste wie sie mich für die Sache begeistern konnte. Eins ist mir klar, wenn ich in meiner Beziehung mit einem Landwirt zufrieden sein will, muss ich das Leben mit dem Hof und mit der Natur leben. Anders wäre es nicht gegangen und so hab ich mich auf das „Abenteuer Bauernhof“ eingelassen. 

Anstatt geregelten Arbeitszeiten, festem Gehalt, Wochenenden und Urlaub habe ich jetzt eine 7-Tage-Woche und Arbeit an 365 Tagen im Jahr. Ich bin dabei, wenn Kälbchen auf die Welt kommen und es ist wirklich ein tolles Gefühl. Ich bin aber auch dabei, wenn es den Tieren schlecht geht und so hart es klingt, aber es gehört auch dazu, dass Tiere sterben. Das sind die Momente, in denen ich natürlich mit mir selber kämpfe, aber es sind Lebewesen und auch ein Tierarzt ist kein Zauberer. 

Deswegen ist es für mich jedesmal unverständlich, wenn man in den Medien Fotos und Videos von Skandalen wie z. B. in Bad Grönenbach sieht. Wie kann ein Bauer seinen Tieren Leid zufügen oder beim Leiden zusehen? Das sind oft einzelne schwarze Schafe, doch der gesamte Berufsstand wird dann durch den Dreck gezogen. Das tut weh und deswegen möchte ich mit LsV gerne auch unsere Arbeit den Verbrauchern näher bringen. In den letzten Tagen hat der Schauspieler Til Schweiger öffentlich gemacht, dass er in Zukunft keine Milchprodukte mehr zu sich nehmen wird, weil selbst eine Bio-Kuh nur eine Stunde am Tag in den Freilauf darf und die restlichen 23 Stunden vom Tag beim Melken ist. In so einem Moment fehlen mir erst mal die Worte. Was denken die Menschen über uns Landwirte und was glauben sie, dass in unseren Ställen passiert? Eine Kuh geht 2-3 mal am Tag für jeweils ca. 10 Minuten zum melken. Ich möchte gerne den Verbrauchern mehr von unserem Leben und den Arbeiten auf dem Hof näher bringen. Aber wir bewirtschaften unseren Betrieb nur zu zweit, da fehlt leider oft die Zeit und auch das Interesse der Bevölkerung. Mein Patenkind ist viel bei uns im Stall dabei. Er fragt viel und ist immer sehr stolz, wenn er danach mit neuem Wissen heim kommt und das erzählt er dann natürlich auch seinen Freunden und Lehrern. Diese Begeisterung von den Kindern müssten wir viel mehr nutzen – aber zum Schluss fehlt doch wieder die Zeit.

Im Sommer geht’s draußen rund. Ab Anfang Mai beginnt das Futter machen und ich bin jedes Mal am Abend glücklich, zufrieden und platt wenn wieder alles gut gegangen ist und klar ist, dass Futter auch weiterhin ausreicht. Doch ich freu mich auch auf den Winter, da wird’s dann auf dem Acker ruhiger und es ist „nur noch“ die Arbeit im Stall bzw. alles rund um die Tiere zu erledigen. Und dann? Dann kommt da diese LsV daher und der Winter wird alles andere als ruhig. 

Ich selber bin zwar nicht im Orga-Team aktiv, aber wenn mein Mann nun öfters LsV-Termine im Kalender hat, muss ja jemand den Stall machen. Also bin ich halt die Frau im Hintergrund ;-). Denn mit Stall ist man gebunden und ich unterstütze meinen Mann gerne bei seiner Arbeit für LsV. 

Früh und Abend werden wir dort gebraucht. Wir haben zwar einen Melkroboter und viele Leute fragen „Was habt ihr denn dann überhaupt noch zu tun?“ aber die Kühe brauchen Futter, die Kälber ihre Milch, der Roboter braucht Pflege, rindernde Kühe wollen besamt werden, kranke Tiere brauchen Medizin und Zuneigung, zwischenrein mal wieder ein neues Kälbchen, oder zwei und so viele andere Dinge müssen erledigt werden.

Wir arbeiten 7 Tage die Woche und wenn man am Ende des Monats auf das Konto schaut ist das sehr ernüchternd. Lebensmittel sind nichts wert. Und das nimmt die Freude an der Arbeit. Wir fragen nicht nach Arbeitsstunden und wir sorgen gern für unsere Tiere und Felder – aber es muss auch honoriert werden. Wir wollen faire Preise für unsere Leistungen. Oft hört man, die Bauern bekommen ihren Hals mit Subventionen nicht voll. Ganz ehrlich, ich würde lieber auf die Subventionen verzichten, wenn wir stattdessen für unsere Lebensmittel faire Preise bekommen würden. Für einen Liter Milch zahlt unsere Molkerei derzeit einen Grundpreis von 34 ct pro Liter. Das deckt nicht mal die Kosten der Produktion und trotzdem gehen wir morgen wieder in den Stall und versorgen unsere Tiere. Denn wir lieben unsere Arbeit und wollen, dass unser Hof auch morgen noch bestehen kann.

Land schafft Verbindung bringt neue Energie, weil ich das Gefühl habe, dass wir gemeinsam was bewegen können. Ich durfte so viele neue Leute kennen lernen und merke, dass wir mit unseren Problemen nicht allein dastehen.

Ramona Herrmann, Wolkshausen

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