Warum wir Landwirte demonstrieren?

Diese Frage ist eigentlich recht simpel beantwortet. Weil wir unzufrieden sind und um unsere Existenz bangen. Aber warum ist das so? Mit dem Slogan „Landwirtschaft und Tierzucht – Du liebst die Natur und Tiere? Informiere Dich, welche Ausbildungsberufe die Bundesverwaltung Dir bieten kann“ wirbt der öffentliche Dienst u.a. für die Ausbildung zur Landwirtin. Aber die Frage ist doch, sind wir wirklich so gewollt, wie man uns immer weiß machen will?

Ich liebe die Natur und die Tiere und habe deshalb Landwirtschaft gelernt und studiert. Jetzt nach den 5 Jahren Ausbildung kommt die Ernüchterung. Es ist deprimierend zu sehen, wie gering die Wertschätzung und die Zahlungsbereitschaft vieler- nicht aller Menschen- sind, wo doch unsere regional erzeugten Lebensmittel den höchsten globalen Standards entsprechen. Zuhause in den Betrieb einsteigen? Ohne zu vergrößern reicht er nicht, dass mal 2 Familien davon leben können. Aber wir sind ja aktuell schon mit der Arbeit ausgereizt. Also arbeiten meine Eltern von morgens um 6.00 Uhr bis abends um 8.00 Uhr. Im Sommer auch länger. Ich gehe ganztags auf die Arbeit und unterstütze sie mal davor, mal danach oder in meiner Freizeit. Und das nur, damit der Rest der Gesellschaft billig essen kann und genug Geld für Freizeit, Urlaub und sonstigen Konsum hat.
Wer profitiert davon? Die Industrie und der Staat.

Bereits seit Jahren werden unsere Betriebe vom Zusammenspiel aus Verbraucherforderungen, der Verarbeitungsindustrie, dem Lebensmitteleinzelhandel und letzten Endes der Politik in eine Richtung gedrängt, die nicht gesund ist. Kleine Familienbetriebe werden gezwungen, hohe Erträge zu erzielen und größere Massen zu produzieren, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Aber sind wir doch mal ehrlich, was wir anbauen reicht längst und der Rest geht in die Tonne.

Gleichzeitig aber will jetzt jeder nachhaltiger und „grüner“ werden. Also muss der Landwirt mehr Bio produzieren, artgerechter Tierhaltung ausüben und extensiver Wirtschaften. Aber der Preis darf nicht ansteigen – Sonst wird’s nicht gekauft. Dass Bio aber nicht für jeden Betrieb möglich ist, Bio-Getreide teilweise wegen Marktsättigung zu konventionellen Preisen verkauft wird, teures Bio-Fleisch kaum gekauft wird und die Molkereien teilweise schon längst keine Bio-Milch mehr annehmen- das will keiner hören. 

Was also sollen wir tun? Wachsen und intensiver bewirtschaften, um der Globalisierung standhalten zu können? Oder auf für einen längst gesättigten Bio-Markt produzieren?

Wettbewerbsfähig auf dem Weltmarkt sind wir deutschen Bauern nicht. Dafür sind unsere Produktionskosten durch die vielen Tierschutz-, Tierwohl-, Gewässer-, Umweltschutz und Bewirtschaftungsauflagen zu hoch. Aber auch Bio reicht nicht aus um unsere Familien sicher in der Zukunft zu ernähren und das obwohl wir doch so viele andere Menschen ernähren. Hier wird erneut die ganze Ironie der Agrarpolitik deutlich. Diversifizieren, wo viele unserer Familien doch schon längst an der arbeitsmäßigen Belastungsgrenze sind? 

Die Direktzahlungen sollen uns die geringen Lebensmittelpreise ausgleichen – was sie aber nicht schaffen. Um sie dennoch zu bekommen müssen wir immer mehr Auflagen erfüllen, damit wir sie in der Gesellschaft rechtfertigen zu können. Wer aber rechtfertigt die niedrigen Erzeugerpreise bei steigenden Produktions- und Qualitätsanforderungen?

Das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ ist nur ein weiterer Beweis dafür, wie versucht wird, den Verbraucher-Anforderungen aus der Bevölkerung gerecht zu werden. Gleichzeitig wird aber die Wettbewerbsfähigkeit noch weiter eingeschränkt. Eines der Resultate: Eine völlig legale, rechtmäßig Enteignung von den Eigentumsflächen der Landwirte. Die Ausgleichsmaßnahmen für bisher freiwillige Umweltschutzmaßnahmen und zum Erhalt der Artenvielfalt fallen weg. 

Dazu kommt dann jetzt noch die Verschärfung der Düngeverordnung. Große Teile Bayerns werden zum roten Gebiet erklärt. Was das bedeutet das für uns? Weitere Auflagen, die mit praxisgerechter und sinnvoller Bewirtschaftung nicht wirklich zu tun haben. Die Grundlage dafür ist ein UNrepräsentatives Messstellennetz, das vom Landwirt nicht mal öffentlich eingesehen werden kann. Die Politik hat mit der Meldung eines Belastungsnetzes eine fehlgeschlagene Strategie verfolgt, die mit hohen Nitratwerten den Landwirt zum Sündenbock einer vermeintlichen Grundwasserbelastung erklärt. Die Folge drastische Bewirtschaftungseinschränkungen und Ertragseinbußen. Unser sowieso schon niedriger Stundenlohn sinkt weiter.

Bayern ist groß und die Betriebe sind verschieden. Bei der Wucht an Auflagen, Kontrollen, Sanktionen, dem Mercosur-Abkommen, … die zurzeit auf uns Landwirte einprasseln wächst der Druck auf alle Betriebe und so auch auf unseren kleinen Milchviehbetrieb in Unterfranken.

Deshalb haben sich auch junge und alte Landwirtinnen und Landwirte jeder Betriebsgröße, jeder Betriebsstruktur ( bio und konventionell), Ackerbauern, Schweinehalter, Milchviehbauern, Geflügelhalter, Nebenerwerbslandwirte und Hauptberufler zusammengeschlossen. Was die Politik mit ihrer Richtungsvorgabe „wachsen oder weichen“ durch Konkurrenzdruck auseinander gelenkt hat, bringt LSV jetzt wieder näher zusammen. All die demonstrierenden Menschen und so auch ich, ziehen an einem Strang um für eine Zukunft der Landwirtschaft, praxisgerechte und umweltfreundliche Bewirtschaftung unserer Flächen zu kämpfen. Natürlich auch mit der Hoffnung, dass diese berufliche Solidarität in Zukunft auch bei Themen wie der Flächenpacht weiterhin bestehen bleibt. 

Die Sprecher von LSV suchen im Namen der Landwirtschaft gezielt das Gespräch mit der Politik zur gemeinsamen Lösungsfindung in den Problembereichen Insekten-, Grundwasser- und Umweltschutz. Wir Landwirte sind die letzten, die sich weigern etwas zu ändern, wenn bewiesen ist, dass unsere Bewirtschaftung wirklich die Ursache für die Probleme ist. Dann sind wir gerne bereit, Einschränkungen auf uns zu nehmen. Aber hierfür muss ein entsprechender Ausgleich das Bestehen unseres Betriebs ermöglichen.

Gleichzeitig aber merke ich bei meiner täglichen Arbeit auch, dass sowohl wir Bauern, als auch die Politik es in den letzten Jahrzehnten verpasst haben, die Menschen über unsere tägliche Arbeit zu informieren. Wir haben uns fälschlicherweise darauf verlassen, dass unser Bildungssystem es tut. Auch deshalb unterstütze ich LSV und gehe zum Demonstrieren. Nur wenn wir es gemeinsam schaffen wieder öffentlich zu machen, wie wir Arbeiten und wie die Lebensmittel produziert werden, können wir eine Wertschätzung erreichen und das verkehrte Bild von immer vollen Lebensmittelregalen und Dumping-Preisen wieder ins rechte Licht rücken. 

Jeden Morgen, bevor ich in den Stall gehe, höre ich mir ein zu meiner Stimmung passendes Lied an, um motiviert in den Tag und meine Arbeit zu starten. Ich hoffe und wünsche mir so sehr, dass aus einem „always live on the bride side of life“ mal nicht der „boulevard of a broken dreams” wird. Dafür kämpfe ich mit meiner Unterstützung bei LSV und hoffe auf sinnvolle, praxisnahe und menschliche Entscheidungen der Politik und mehr Wertschätzung und angemessene Bezahlung unserer Produkte. 

Eure Sophia